Sonntag, 19. Mai 2019

Die Erdbeere fährt Lastwagen

Im Frühling, wenn bei uns der letzte Schnee geschmolzen ist, sofern er überhaupt den Boden getroffen hat, beginnt die beschwerliche Reise der Erdbeeren von Südspanien in die Schweiz. Im Winter muss man sich ja notgedrungen mit geschmacklosen ägyptischen Erdbeeren begnügen. Die Erdbeeren aus Andalusien haben wenigsten bei ihrem Wachstum eine schöne Sicht auf die umliegenden Naturschutzgebiete genossen. Sie graben diesen zwar das Wasser ab, aber das ist eine andere Geschichte.

Nach dem Pflücken der Erdbeeren beginnt ihre Reise in der Hafenstadt Huelva mit der berühmten gekalkten Kapelle Santuario de Nuestra Señora de la Cinta und der eindrücklichen Barockfassade. Auf der A-4 geht es an Sevilla vorbei durch Andalusien. Bei Valencia erblicken die Erdbeeren das erste Mal das Meer. In Barcelona legt der Lastwagen eine Rast ein. Die Erdbeeren nutzen sie um einen Stierkampf zu besuchen. Doch beim Anblick dieser blutrünstigen Stierkämpfe wird es den vegetarischen Erdbeeren schwarz vor den Augen. Nach der Hälfte der Reise übernachten die Erdbeeren auf einem Rastplatz. Eigentlich möchten die Erdbeeren zur Erfrischung eine Dusche geniessen, aber ihr CO2-Fussabdruck ist schon so gross, dass das nicht mehr drin liegt. Für die Herstellung einer Schale Erdbeeren braucht es nämlich 150 Liter Wasser, das ist eine volle Badewanne.

Als der Zollbeamte bei der Schweizer Grenze den Laderaum kontrolliert, schauen ihn lauter bleiche Erdbeeren an. Ihnen ist von der Fahrt über die unebenen ausländischen Strassen regelrecht schlecht geworden. Trotzdem ist der Verkehr im Grossen und Ganzen immer geflossen, aber in Schweizer beginnt er nun zu stocken. Da werden die Erdbeeren vor lauter Ärger direkt schimmlig. Gegen diesen Stau hilft nur das Projekt „CARGO SOUS TERRAIN“. Ein Tunnelsystem soll dereinst den Bodensee mit dem Genfersee verbinden und mit Ablegern nach Basel und Luzern führen. Das Tunnelsystem besteht aus 6 Meter breiten Tunnelröhren, die in einer Tiefe von 50 Metern gebaut werden. Auf den Transportbändern können unbemannte Transportfahrzeuge mit 30km/h selbstständig fahren. Bei den sogenannten Hub’s kommen die Transportfahrzeuge mit einem Lift an die Oberfläche. Doch bis das privat finanzierte 33 Milliarden teure System gebaut wird, müssen die Erdbeeren noch über die verstauten Strassen fahren.

Völlig erschöpft kommen die Erdbeeren nach einer 2142 km langen Fahrt im Supermarkt an. Da muss man sich nicht wundern, wenn sie in der Früchteabteilung nicht mehr schön aussehen. Ja wer sieht schon nach einer 21 stündigen Reise noch gut aus.

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