Samstag, 5. November 2022

Eisenbahn auf der Autobahn


Eine Würdigung zum 175-jährigen Jubiläum der Eisenbahnen in der Schweiz Als 1847 die erste Eisenbahn von Zürich nach Baden fuhr, war das für die betuchte Gesellschaft eine Erlösung. Denn bis dato mussten die Armen in klapprigen Pferdewagen über schlechte Kiesstrassen fahren. Alle 15 km mussten die Pferde gewechselt werden und die Fahrt dauerte über drei Stunden. Nach Eröffnung der Spanisch-Brötli-Bahn dauerte die Fahrt nur noch 45 Minuten. 

Als sich in den 50iger Jahren das Auto zum Massenverkehrsmittel entwickelte, wurde es auf den Verkehrsachsen zunehmend eng. Die Bahn und die Autos mussten sich ein Trassee teilen. So entstanden Strassenbahnen in mittleren bis grösseren Städten, aber auch auf dem Lande. Sogar auf dem ersten Autobahnabschnitt von Kriens nach Ennethorw querten Eisenbahngleise die Autofahrbahn. Mit dem Autoboom wurden die Bahnen zunehmend zu einem Hindernis, waren nicht mehr wirtschaftlich und verschwanden schlussendlich. So die Bahn im Maggiatal zwischen Ponte Brolla und Bignasco oder die Bahn auf der Strecke Vevey-Montreux-Chillon-Villeneuve. Unter eingefleischten Eisenbahnfans sind die Strassenbauer deshalb die Totengräber von unzähligen sehr romantischen Strassenbahn-Strecken. Als Mitarbeiter eines Strassenbauamtes mit einem eisenbahnaffinen Freundeskreis kriegt man das knallhart zu spüren. So ist man dann rasch persönlich schuld an der Einstellung der BellinzonaMesecco-Bahn, die im Zuge einer neuen Linienführung der Autobahn weichen musste. 

Zum Glück hat die Strasse nicht allen historischen Bahnstrecken den Garaus gemacht, und so können die Eisenbahnfans sich zum 175-jährigen Jubiläum auf unbequemen Holzbänken und mit Russ in den Haaren auf den historischen Bahnstrecken vergnügen. 

Zum Schluss noch einen Glückwunschgruss an die Eisenbahn: 

«Liebe Bahn, wir gratulieren dir ganz herzlich zu deinem ehrwürdigen Geburtstag. Wir hoffen, dass du noch lange lebst und viele Nachkommen hast. Gut, etwas vom Charme und vom Komfort der Gründerjahre, also den der 1. Klasse, könntest du schon noch übernehmen. Mit diesen hochtechnisierten, neumodischen Zügen mögen wir Zugfahrer wohl etwas schneller ankommen – vorausgesetzt allerdings, die Türen sind nicht wieder von Störungen befallen – aber das Reisen in denselben ist wahrlich abenteuerlich im negativen Sinne geworden… wenn es einem nicht von der Neigetechnik schlecht wird, dann spätestens von den stinkenden WC Kläranlagen, deren Gestank in Zug und Bahnhof weder die zusätzlichen Putzequipen noch die Hochdruckreiniger Herr werden …

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen