Sonntag, 27. November 2022

Zwölf autofreie Sonntage

 

Autofreie Sonntage kennen die unter 50-Jährigen nur vom Hörensagen, oder sie wurden als Säugling in einem Kinderwagen über die leeren Autobahnen gestossen. Im Jahre 1973 ordnete der Bundesrat aufgrund des Treibstoff-Engpasses drei autofreie Sonntage an, weil in Folge des Jom-Kippur-Kriegs die arabischen Staaten ein Ölembargo verhängten. Das behördliche Verbot führte aber nicht zu Massenprotesten – wie heute, sondern artete regelrecht in einem Volksfest aus. Alles was fahren konnte, und keinen Motor hatte, wurde an diesen Sonntagen auf die leeren Strassen geschleppt: Kinderwagen, Trottinette, Velos, Rollschuhe. Vierspurige Autobahnen verkamen zu regelrechten Rummelplätzen.

Im Zuge der Ukraine-Krise kommen nun autofreie Sonntage wieder aufs Tapet. Die Rede ist von ein bis vier autofreien Sonntagen pro Jahr. Zudem führen einzelne Gemeinden, im Rahmen der Kampagne zur Förderung der Mobilitätswende, am 22. September einen autofreien Aktionstag durch. Dabei werden aber nur einzelne Strassenzüge für den motorisierten Verkehr gesperrt.

Doch das ist alles Mumpitz. Wenn man eine Wirkung erzielen will, müssen es schon mindestens zwölf autofreie Sonntage sein. Aber nicht um die heutige Spassgesellschaft zu bedienen, damit diese wieder Happenings auf den leeren Strassen veranstalten kann, nein schlicht und einfach für den Erhalt der einheimischen Strassenbaustellen. Früher konnte man auf Autobahnen noch mehrere Tage hintereinander kilometerlange Spurreduktionen vom Feinsten durchführen. Früher, also in den 70iger Jahren, konnte man sogar tagsüber ganze Spuren sperren – oder zur Not auch mal die ganze Fahrbahn. Ja, früher, da machte das Bauen auf der Strasse noch Freude. Heute werden die Bauarbeiter von den
Autofahrern mit Schimpfwörtern und PET-Flaschen beschmissen. Heute kann man bestenfalls die Autobahn tief in der Nacht sperren, und selbst das führt noch zu Staus. Das ASTRA unternimmt deshalb immense Anstrengungen, um den Verkehr durch die Baustellen nicht zu beeinträchtigen. So werden Spursperrungen für Bau- und Unterhaltsarbeiten nur noch in der Nacht durchgeführt. In diesem Jahr hat das Amt sogar eine befahrbare Brücke in Betrieb genommen, die es ermöglicht, darunter tagsüber Belagssanierungen durchzuführen. Der Verkehr läuft währenddessen über diese Brücke.

Doch irgendwann ist man mit den Möglichkeiten am Ende und es müssen neue Lösungen her, und eine davon heisst eben: zwölf autofreie Sonntage. An diesen Tagen werden dann tausende von Bauarbeitern die Sanierungsarbeiten auf hunderten von Baustellen in der ganzen Schweiz durchführen, ohne den Verkehr zu stören. Im Fachjargon nennt man das Closter-Baustellen.

Wer nun denkt, wow, das ist ja super, dann fällt der obligate monatliche Sonntagsbesuch bei der Schwiegermutter voll ins Wasser bzw. auf einen autofreien Sonntag, hat sich schwer geschnitten. Denn der Besuch muss wohl oder übel am darauffolgenden Sonntag nachgeholt werden, das gibt einem die Schwiegermutter am Telefon unmissverständlich zu verstehen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Samstag, 5. November 2022

Eisenbahn auf der Autobahn


Eine Würdigung zum 175-jährigen Jubiläum der Eisenbahnen in der Schweiz Als 1847 die erste Eisenbahn von Zürich nach Baden fuhr, war das für die betuchte Gesellschaft eine Erlösung. Denn bis dato mussten die Armen in klapprigen Pferdewagen über schlechte Kiesstrassen fahren. Alle 15 km mussten die Pferde gewechselt werden und die Fahrt dauerte über drei Stunden. Nach Eröffnung der Spanisch-Brötli-Bahn dauerte die Fahrt nur noch 45 Minuten. 

Als sich in den 50iger Jahren das Auto zum Massenverkehrsmittel entwickelte, wurde es auf den Verkehrsachsen zunehmend eng. Die Bahn und die Autos mussten sich ein Trassee teilen. So entstanden Strassenbahnen in mittleren bis grösseren Städten, aber auch auf dem Lande. Sogar auf dem ersten Autobahnabschnitt von Kriens nach Ennethorw querten Eisenbahngleise die Autofahrbahn. Mit dem Autoboom wurden die Bahnen zunehmend zu einem Hindernis, waren nicht mehr wirtschaftlich und verschwanden schlussendlich. So die Bahn im Maggiatal zwischen Ponte Brolla und Bignasco oder die Bahn auf der Strecke Vevey-Montreux-Chillon-Villeneuve. Unter eingefleischten Eisenbahnfans sind die Strassenbauer deshalb die Totengräber von unzähligen sehr romantischen Strassenbahn-Strecken. Als Mitarbeiter eines Strassenbauamtes mit einem eisenbahnaffinen Freundeskreis kriegt man das knallhart zu spüren. So ist man dann rasch persönlich schuld an der Einstellung der BellinzonaMesecco-Bahn, die im Zuge einer neuen Linienführung der Autobahn weichen musste. 

Zum Glück hat die Strasse nicht allen historischen Bahnstrecken den Garaus gemacht, und so können die Eisenbahnfans sich zum 175-jährigen Jubiläum auf unbequemen Holzbänken und mit Russ in den Haaren auf den historischen Bahnstrecken vergnügen. 

Zum Schluss noch einen Glückwunschgruss an die Eisenbahn: 

«Liebe Bahn, wir gratulieren dir ganz herzlich zu deinem ehrwürdigen Geburtstag. Wir hoffen, dass du noch lange lebst und viele Nachkommen hast. Gut, etwas vom Charme und vom Komfort der Gründerjahre, also den der 1. Klasse, könntest du schon noch übernehmen. Mit diesen hochtechnisierten, neumodischen Zügen mögen wir Zugfahrer wohl etwas schneller ankommen – vorausgesetzt allerdings, die Türen sind nicht wieder von Störungen befallen – aber das Reisen in denselben ist wahrlich abenteuerlich im negativen Sinne geworden… wenn es einem nicht von der Neigetechnik schlecht wird, dann spätestens von den stinkenden WC Kläranlagen, deren Gestank in Zug und Bahnhof weder die zusätzlichen Putzequipen noch die Hochdruckreiniger Herr werden …