Zu Zeiten von Moses war es noch relativ einfach Strassen zu bauen. Als die Israeliten auf der Flucht vor den Ägyptern an das unüberwindbare Meer kamen, befahl Gott Moses: „Hebe deinen Stab auf und recke deine Hand aus über das Meer und teile es voneinander, dass die Kinder Israel hineingehen, mitten hindurch auf dem Trockenen.“ Durch einen starken Ostwind wurde das Meer trockengelegt und das Wasser stand wie Mauern zur Rechten und zur Linken. Diese Mauern lassen sich jeden Frühling auch auf dem Gotthardpass beobachten – dort aber aus Schnee. Nur das hier der Chef des Tiefbauamtes Uri nicht die Schneeschaufel in die Höhe halten kann, um die Schneemassen zu teilen. Mit schweren Schneeschleudern müssen sich die Werkhofmitarbeiter einen Kanal durch die Schneemassen kämpfen – ohne Gottes Hand. Dafür kostet dann die ganze Übung jährlich eine satte Million Franken.
Ausser dem Satan, der die Teufelsbrücke in der Schöllenenschlucht erbaut hat, ist heute auf die Götter kein Verlass mehr. Im Tunnelbau gibt es zwar noch die heilige Barbara, aber ihr Beitrag ist auch sehr dürftig. Sie steht vor jeder Tunnelbaustelle und schaut den Arbeitern zu, wie sie sich mit dem Felsen abrackern. Gut, sie ist ja nur Schutzpatronin der Tunnelbauer, und in diesem Sinne macht sie ihre Arbeit recht.
Der griechische Gott Hermes, der Schutzgott des Verkehrs, der Reisenden, der Kaufleute und der Hirten, ist der eigentliche Gott der Strassen. Im modernen Strassenbau hat er aber keine Bedeutung mehr. Nur die von ihm abstammenden Götter der Architektur üben noch ihre Macht aus. Vor allem im Kanton Tessin, wo jedes noch so hässliche Tunnelportal unter Denkmalschutz steht, geniessen diese Götter hohes Ansehen. Jeden, der es wagt, ein Bauwerk von Rino Tami, Christian Menn, Mario Botta oder Santiago Calatrava anzufassen, geschweige denn zu entfernen, wird der Bannstrahl des Bösen treffen.
Doch in der Neuzeit haben die Götter ihre Strahlkraft verloren. Wieso dann die Bundesverwaltung 1975 ihre Projektmanagementmethode für Informatikprojekte HERMES benannt hatte, bleibt schleierhaft. Der griechische Gott Hermes ist nämlich auch um das Wohl der Diebe und Wegelagerer besorgt. Angesichts des diebischen Verhaltens von gewissen Software-Konzernen, die die Kunden wie eine Weihnachtsgans ausnehmen und anschliessend von den Nutzern hinterrücks wie die Wilden Daten sammeln, scheint die Namenswahl aber mehr als gerechtfertigt.
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