Samstag, 23. März 2024

Tunnelzentrale mit Seeanstoss

 

Die Älteren werden die Walenseeautobahn noch als Qualenseeautobahn kennen. Während
der Wintersaison kam es regelmässig zu massiven Staus, weil die Strecke nur zweispurig
war und durch die Dörfer führte. Erst mit dem Bau des Kerenzerbergtunnels beruhigte
sich die Situation. Aber dafür wurde es auch in der ehemaligen Raststätte, zwischen
Murg und Weesen, die für Poulet im Chörbli berühmt war, ruhig - zu ruhig. In der Hochblüte
fand man beim Mövenpick-Restaurant fast keinen Parkplatz. So kennen viele das Restaurant
direkt am Walensee nur vom Vorbeifahren. Über das, sich mittlerweile im Privatbesitz
befindende, langsam verfallende Betongebäude, haben sich schon Viele gewundert,
was da eigentlich abgeht. Doch das ist eine andere brisante Geschichte, um die es
hier nicht geht. Sondern es geht um ein unscheinbares Betriebsgebäude ganz in der
Nähe.
Als in den Jahren 2004-2010 alle Elektrotechnischen Anlagen ersetzt werden mussten,
wurden in diesem Zuge sechs neue Elektrozentralen für die Tunnels zwischen Murg und
Weesen gebaut. Unmittelbar nach der Raststätte Walensee war die Elektrozentrale Standenhorn
direkt im See geplant. Also nicht eigentlich im See, sondern mit einer Pfahlbauweise
auf einer Landzunge. Es wäre die erste Tunnelzentrale mit einem Seeanstoss geworden.
Als das Amt für Umweltschutz des Kantons Glarus von diesem Projekt erfuhr, tobte
es. Das sei eine Verschandelung der Landschaft und eine Zerstörung der Ufervegetation.
Die beteiligten Ingenieure hegten durchaus Sympathie für den Natur- und Landschaftsschutz,
aber was bei diesem Projekt zerstört werden sollte, erschloss sich ihnen nicht
ganz. Die Ufervegetation war abgeschnitten und hatte keine Verbindung zu anderen Naturräumen,
zudem bestand der Uferabschnitt nur aus mickrigen Erlen und einem mit Sagex,
PET-Flaschen und anderem Müll bedeckten Boden. Landschaftlich war nach dem Bau
der Walenseeautobahn in den 60er Jahren direkt am Ufer zudem nichts mehr zu verbessern.
Da Ingenieure lieber bauen als streiten, entschied man sich für einen anderen Standort.
Auf der gegenüberliegenden Strassenseite fand man einen Platz zwischen Autobahn und
Felswand. Der neue Standort hatte zudem den grossen Vorteil, dass man über den Veloweg
das Material anliefern konnte. Beim alten Standort hätte man dazu jedes Mal eine Autobahnspur
sperren müssen, ein heute unvorstellbares Szenario. So muss man dem Leiter
des Amtes für Umweltschutz danken. Leider hatte er aber für den Natur- und Landschaftsschutz
nichts erreicht - sprich Ersatzmassnahmen. Heutige Berufskollegen sind da vifer
unterwegs. Und so wurde also nichts aus der ersten Tunnelzentrale samt Seeanstoss.
P.S. Da die Causa Café Walensee noch nicht zu Ende ist, wird diese vielleicht ein Thema
für eine spätere Kolumne sein.