Mittwoch, 13. April 2022

Wegen Strommangel Tunnel geschlossen?


Bis vor kurzem kam bei den meisten Konsumenten der Strom einfach aus der Steckdose. Man wusste noch irgendwie, dass Stauseen und Atomkraftwerke zur Stromproduktion da sind, aber vom Zwischendurch mit Übertragungsnetz, Verteilnetz, Regelenergie, Speicherenergie und Importstrom hatten die Wenigsten eine Ahnung. Und jetzt die Hiobsbotschaft von einer drohenden Strommangellage. Seit dieser Ankündigung überbieten sich Politiker und Lobbyisten mit Vorschlägen. Es wurde zu einer regelrechten Anbauschlacht mit neuen Wasser-, Wind- und Solarkraftwerken gerufen. Ganz Mutige warfen sogar die Atomkraft in die Waagschale, um die Dramatik zu verstärken. Eine Partei wollte sogar einen Stromgeneral einsetzen. Zu guter Letzt sollte die Bewältigung der Strommangellage noch CO2 neutral erfolgen.

Das ganze Desaster begann, als die Schweiz die Verhandlungen mit der EU über das Stromabkommen abgebrochen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte man den Strom bequem aus dem Ausland beziehen. Sollen doch die anderen ihre Landschaft mit Kraftwerken verschandeln und schlechte Luft einatmen. Doch nun prognostizierten Experten eine Strommangellage. Der Bundesrat hat daraufhin einen ganzen Strauss von Massnahmen mittels Änderungen von Gesetzen und Verordnungen in die Vernehmlassung geschickt. Flugs kam der Vorwurf einer Planwirtschaft. Doch hätte man sich in den letzten Jahren beim Energiesparen etwas mehr angestrengt, wäre jetzt so eine Feuerwehrübung nicht notwendig.

Im Rahmen des Programms „Vorbild Energie und Klima“ hat das ASTRA begonnen, die Tunnelbeleuchtungen auf LED umzurüsten und die wenigen noch vorhandenen Strassenbeleuchtungen abzubrechen, aber leider reicht das nicht, um eine Strommangellage abzuwenden. Damit wir es etwas besser als die Chinesen machen, wurde ein dekarbonisiertes klimaneutrales BSA-Kreativteam gebildet. In China haben nämlich Provinzbeamte, als sie gegen Ende Jahr merkten, dass sie die CO2-Vorgaben nicht einhalten können, kurzerhand den Fabriken den Strom abgestellt. In der Schweiz wird in Strassentunneln jeder Quadratmeter der Fahrbahn durchschnittlich mit 1.5 Candela beleuchtet. Candela ist das lateinische Wort für Kerze und bezeichnet die Lichtstärke. Alle Tunnel sollen nun bis 2050 mit einer Kerzenbeleuchtung nachgerüstet werden. Damit liesse sich der Strombezug um 9 MW reduzieren. Wer jetzt diesen technologischen Rückschritt ins 17. Jh. bedauert, dem sei gesagt, dass viele Tunnelportalbauwerke unter Kulturgüterschutz stehen. Die neue Kerzenbeleuchtung bildet damit eine baukulturelle Einheit mit diesen national geschützten Portalen. Zudem kann das ASTRA ab der nächsten Adventszeit optimal an der Weihnachtsbeleuchtungs-Anbauschlacht teilnehmen.

P.S. Wer sich mit dem Leben ohne Strom intensiver befassen will, dem sei das Buch „Blackout“ von Marc Elsberg sehr zu empfehlen. Es ist eine spannende Geschichte über einen zweiwöchigen Stromunterbruch in Europa.