Sonntag, 24. Oktober 2021

In den Raststätten gibt es kein Gurkenwasser

Kürzlich sass ich seit langem wieder einmal in meinem Lieblingscafé. Das Lokal ist als kleiner und charmanter kultureller Veranstaltungsort mit Musik, Lesungen, Vorträgen und Ausstellungen bekannt. Doch besonders speziell ist seine Getränkekarte. Für Otto Normalverbraucher ist sie eine echte Herausforderung, findet man doch darauf kaum 08/15-Getränke, aber dafür ein Gurkenwasser. Als nicht-ernährungsbewusste Person hatte ich natürlich keinen Plan, wozu um alles in der Welt ein Gurkenwasser gut sein soll. Für Ignoranten der gesunden Lebensweise sei gesagt, dass Gurkenwasser gegen Muskelkrämpfe, Bluthochdruck und der Vorbeugung von Zellschäden hilft.

Aber was hat nun das Gurkenwasser mit den Raststätten zu tun? Eigentlich gar nichts oder besser gesagt, es gibt dort einfach kein Gurkenwasser zum Trinken. Dafür dürfen die Raststätten seit diesem Jahr Alkohol ausschenken und verkaufen. Das Alkoholverbot auf Schweizer Raststätten wurde 1964 eingeführt. In der Deutschschweiz liess sich dieses Verbot noch einigermassen durchsetzen. Aber für die Romandie war ein solches Verbot absolut inakzeptabel und lebensbedrohend. Die Waadtländer Regierung bewilligte darum der Raststätte in Yvorne während des Essens Alkohol auszuschenken. Wie die schlitzohrigen Walliser mit diesem Verbot umgegangen sind, ist nicht aktenkundig. Doch mit nur einer Raststätte im Kanton war das verkraftbar.

Wie die Geschichte mit dem Absinth zeigt, hat man sich mit der Zeit von der protektionistischen Haltung beim Alkohol verabschiedet. Die Gefahr, dass nun die Autofahrer die Fahrt nach einem Restaurantbesuch stark betrunken fortsetzen, ist wohl gering. Das Hauptgeschäft liegt sowieso nicht beim Alkoholausschank, sondern beim Verkauf von vergärten und gebrannten Wassern. Denn jedes Wochenende halten Horden von Partygängern Ausschau nach günstigen Einkaufsmöglichkeiten für das Vorglühen mit Alkohol. In den letzten Jahren wurden vor den Partys vor allem die Tankstellenshops ausserhalb der Autobahnen gestürmt. Die Restaurateure auf den Raststätten der Autobahnen haben so lange Druck auf den Bund ausgeübt, dass dieser ab dem ewigen Gestürm die Nase voll hatte und das Verbot aufhob.

Doch nun zurück zum Gurkenwasser: In Niederbayern wird das Gurkenwasser nicht getrunken, sondern landet im Winter auf den Strassen. Trotzdem riechen die Strassen deshalb nicht nach Gurken. Das Gurkenwasser stammt von einer Essiggurkenfabrik. Die Gurken liegen dort zwei Monate in einer Salzlösung, die man nun nicht mehr aufwändig entsorgen muss, sondern kippt sie einfach auf die Strasse, um der Eisbildung vorzubeugen.

P.S. Diese Kolumne ist keine versteckte Werbung für das Kaffee «Augenblick» in Oberwinterthur. Für diese Werbekolumne habe ich weder Geld noch ein Gratis-Gurkenwasser bekommen.