Freitag, 16. April 2021

Vom Strassencafé zum Strassenzirkus

 

Diese verdammten Aerosole, besser gesagt die darin enthaltenen verdammten Viren zwingen uns das halbe Leben im Freien zu verbringen. Im warmen Süden mag das ja noch einigermassen lustig sein, aber im kalten Norden bei starker Biese oder strömendem Regen hört dann der Spass definitiv auf. In nächster Zeit werden wohl Aktivitäten mit grossen Menschenansammlungen nur im Freien stattfinden können, ja bravo. Seit der Coronakrise ist der Druck auf Velo-, Fuss- und Wanderwege schon massiv gestiegen. Wanderer, Velofahrer, Skater stehen sich regelrecht auf den Füssen oder Rädern. In der nächsten Phase werden nun vermehrt auch die Strassen dran glauben müssen.

Viele Branchen sind durch die Coronamassnahmen hart getroffen, darum werden in absehbarer Zukunft alle, die können auf der Strasse ihre Aktivitäten entfalten, sei es durch Strassencafés, Strassenmärkte, Strassenfeste, Strassenfestivals, Strassenzirkusse, Strassenkonzerte, Strassensport, Strassentheater – die armen Strassen. Mit dieser Multifunktionalität hat die Strasse schon seit Jahren ihre Mühe. Weniger Mühe hat die Strasse, wenn sie eine Uferstrasse, Seestrasse, Passstrasse, Weinstrasse, Eisenlohrstrasse, Alleestrasse oder Einbahnstrasse sein muss. Aber wenn Autofahrer, Velofahrer, Lieferwagenfahrer, Fussgänger, Lastwagenfahrer, spielende Kinder, Strassenverkäufer, Demonstranten und Strassenräuber um jeden Quadratmeter Strassenfläche kämpfen, wird es der Strasse Angst und Bange.

Es ist zu hoffen, dass die Behörden bei der Nutzung von Strassen durch die von Corona gebeutelte Branchen ein offenes Ohr haben. Als leuchtendes Beispiel könnte eine Episode aus Kanton Glarus dienen.

Als die Kantone noch Eigentümer der Nationalstrassen waren, stand die Skater-Weltmeisterschaft an. Die Strecke führte unter anderem entlang dem Walensee. Nur gab es auf dem Kantonsgebiet von Glarus seit den 80iger Jahre ausser der Autobahn keine Strasse mehr, die eben entlang des Sees führte. Es gab lediglich eine Strasse über den Kerenzerberg. Aber mit einem Höhenunterschied von 324 Metern und starken Steigungen eignet sich diese Streckenführung wohl eher weniger für das Skating. So kamen die Organisatoren auf den Kanton zu und baten, für diese Veranstaltung die Autobahn exklusive für die Skater benützen zu können. Der sportbegeisterte Kantonsingenieur bewilligte dieses Anliegen ohne lange zu zögern. Leider hatte er in seiner Euphorie den Autoverkehr etwas unterschätzt. Während des halbtägigen Events musste nämlich der Autoverkehr über den Kerenzerberg umgeleitet werden. Dies verursachte ein heilloses Chaos und kilometerlange Staus. Das damalige Bundesamt für Strassenbau (ASB) war über den Missbrauch der Autobahn nicht sehr angetan und sendete eine Protestnote an den Kanton Glarus. Der Kantonsingenieur konnte von Glück reden, dass er nicht entlassen wurde.