Sonntag, 19. April 2020

Das Internet verstopft die Strassen


Als ich vor vier Jahren angefangen habe Kolumnen zu schreiben, hatte ich zwischendurch Angst nicht jeden Monat eine fertige Kolumne abliefern zu können. In der Zwischenzeit konnte ich eine kleine eiserne Reserve an Geschichten anlegen, dazu habe ich noch einige halbfertige Kolumnen wo z.b der witzige Schluss oder der Anfang fehlen – ich warte noch auf die Eingebung. Und dann ist da noch mein dickes Notizbuch – ja richtiges Papier, mit hunderten von Ideen. „Das Internet verstopft die Strassen“ stand schon lange darin, aber irgendwie wollte die Geschichte nicht aufgehen. Jetzt mit der Coronakrise bekam diese Idee auf einmal eine tragische Wendung. Aber nicht im Sinn der verstopften sondern leeren Strassen.
Nach der Lektüre des Buches „Die Rückkehr der Diener“ wollte ich mich eigentlich über unsere dekadente westliche Gesellschaft lustig machen, die faul vom Sofa aus mit dem Handy allerlei Konsummüll über das Internet bestellt. Unsereins bevorzugt, noch die traditionellen Läden im Dorf, wo auch noch ein persönlicher Kontakt möglich ist, und man sich bei Problemen nicht mit einer Hotline in Shanghai herumschlagen muss, wenn man dann mal eine Verbindung bekommt.
Beim Lockdown war ich dann aber froh, konnte mein Getränkehändler immer noch fehlerfrei liefern. Er bot sogar das rare WC-Papier an, von dem ich natürlich Gebrauch machte. Mir ist schon bewusst, dass der zusätzliche Verkauf von WC-Papieren, das eingebrochene Geschäft mit den Restaurants und den Festanlässen in keiner Weise wett machen kann.
Auch zu Ostern war ich froh über den Onlineshop der Confiserie Sprüngli, um meinem Vater doch eine Freude zu machen. Sprüngli lieferte das prall gefüllte Osterei, wegen völliger Überlastung des Lieferdienstes einige Tage später als vereinbart, aber immer noch vor Ostern ab.
Das Schlimmste sind aber die Food-Lieferdienste. Wenn ich mir vorstellte eine lauwarme Pizza aus einem schlabbrigen Pappkarton zu essen, schauderte es mich. Anstatt der feine Geruch von Tomaten und Parmaschinken in der Nase zu haben, riecht man den töteligen Kartongeschmack. Aber wie heisst es so schön: „In der Not frisst der Teufel Fliegen“. Heute stapeln sich dutzende leere Pizzakartons auf meinem Balkon. Dazwischen kommt noch der Inder und der Vietnamese und liefert in Aluminium- und Sagexbehältern die Speisen ab – arme Kehrrichtsackgebühren.
Ganz aufgeben muss ich aber meinen ursprünglichen Kolumnentitel doch nicht. Von meinem Homeoffice kann ich nämlich all die Lieferdienste gut beobachten. Auf der kleinen Quartierstrasse herrscht ein ungewöhnlich reger Verkehr mit Lieferwagen und Kleinstwagen. Die Post fährt dreimal täglich vor um die Paketflut bewältigen zu können. Sie kreuzt sich mit den Lieferwagen von DHL, DPD, UPS, coop@home, Pizzakurieren, ja und meinem Getränkehändler. So gesehen verstopft eben das Internet doch die Strassen!

P.S. Das ASTRA wird ende April die Pannenstreifenumnutzung auf der A1 zwischen Ohringen-Oberwinterthur in Betrieb nehmen. Das grösste Problem des Projektteams ist, dass in Folge der Coronakrise der Stau auf der Autobahn fehlen wird und somit die automatische Freigabe des Pannenstreifens bei Verkehrsüberlastung nicht getestet werden kann. So gesehen ist das System im Moment für die Katze.