Samstag, 12. Oktober 2019

Gratisparkplatz

“Am Anfang waren das Benzin und der Vergaser. Dann schuf Gott den Motor und die Karosserie, die Hupe und das Verkehrslicht. Dann betrachtete er sein Werk und sah, dass dies nicht genug war. Darum schuf er noch das Halteverbot und die Verkehrspolizisten. Und als dies alles geschaffen war, stieg Satan aus der Hölle empor und schuf die Parkplätze.“

Als der israelische Satiriker Ephraim Kishon 1985 diese Zeilen schrieb, gab es noch unzählige gebührenfreie öffentliche Parkplätze. Zumindest in den Städten sind diese paradiesischen Zeiten endgültig zu Ende. Doch es gibt immer noch Zeitgenossen, die glauben, ihnen stehe auch heute noch überall solch einen schönen Gratisparkplatz zur Verfügung. So erschien dann der Kundenparkplatz unseres Ingenieurbüros wie eine Geste der Barmherzigkeit, insbesondere da er meistens leer stand, und das in der Stadt Zürich. Leider wussten die illegalen Benutzer dieses Parkplatzes nicht, dass sich der Parkplatz ohne grosse Anstrengungen von unserem Pausenraum einsehen liess. Die fehlbaren Lenker wurden von uns umgehend beim Statthalteramt angezeigt, worauf sie ein saftiges Strafmandat erhielten und die Barmherzigkeit somit ein jähes Ende fand. Eigentlich hätten wir schlauer eine private Strafgebühr von 50 Franken erhoben und die Fehlbaren im Gegenzug nicht angezeigt. Das Geld hätten wir dann an einer ordentlichen Betriebsfeier auf den Kopf hauen können. Aber unsere Sekretärin bestand auf Gesetzestreue – auch ein Ansatz!

Beim besagten Ingenieurbüro war ich viel mit dem Geschäftsauto auf Nationalstrassen unterwegs. Für Aufnahmen und Inspektionen benutzte ich jeweils den Pannenstreifen als Parkplatz, damals noch ohne Sicherheitsmassnahmen. Heute ist das nur noch mit einem aufwändigen Sicherheitsdispositiv möglich – aber gratis ist der Parkplatz immer noch. Nun soll dieser Pannenstreifen für die Allgemeinheit freigegeben werden. Anfang des nächsten Jahres wird das ASTRA die erste Pannenstreifenumnutzung (PUN) in der Deutschschweiz in Betrieb nehmen. Auf der zweimal 3700 Meter langen Strecke gehen so quasi 1480 “Parkplätze” verloren. Bei einer ortsüblichen monatlichen Miete von 60 Franken würde das einen schönen Betrag von 1’065’600 Franken jährlich ausmachen. Wer also diese Entlastungsspur benutzt, muss im Sinne von Road Pricing in Zukunft eine Gebühr abliefern. Ob das alle gut finden sei dahingestellt, die Tatsache ist nur, wir sind nicht mehr in Zeiten von Ephraim Kishon.