Donnerstag, 13. April 2017

Selbstfahrender Kühlschrank

In seinem Manifest „Vers une architecture“ schrieb Le Corbusier 1927 „Ein Haus ist eine Maschine zum Wohnen“. Die Industrie scheint dieses Manifest gar wörtlich zu nehmen. Werden doch alle möglichen und unmöglichen Haushaltsgeräte ans Internet angeschlossen, für was wissen die Götter oder Le Corbusier. Einmal ans Internet angeschlossen, versucht man dann krampfhaft Bedürfnisse zu schaffen. So wird einem in der Werbung vollmundig die Bedienung der Kaffeemaschine vom Sofa aus schmackhaft gemacht. Ja schön und wer bringt mir den fertigen Kaffee bitte? Das Internet? Oder die Waschmaschine. Es ist ja schön, dass ich diese über das Handy programmieren kann, notabene, nachdem ich dieses nach langem Suchen in der ganzen Wohnung wieder gefunden habe. Aber wer trägt nun die Wäsche in den Keller und füllt anschliessend die Maschine? Das Internet?
Beim Kühlschrank hat der deutsche Haushaltsgerätehersteller Miele auch Zukunftspläne. So stellt sich Miele vor, dass ein junges Pärchen am Fernsehen eine Kochsendung anschaut. Möchte es das gezeigte Menü gerade kochen, wählt es dieses im Fernsehen aus. Dieser sendet dem Kühlschrank über das Internet die Zutaten, letzterer vergleicht die Zutaten mit seinem Vorrat und bestellt die fehlenden Lebensmittel bei einem OnlineHändler, der dann nach etwa einer halben Stunde liefert. Kochen muss man aber immer noch selber.
Da ich Kochsendungen nicht ausstehen kann, muss sich die Industrie aber schon schlauere Szenarien ausdenken. Für mich muss sich der Kühlschrank schon etwas aktiver zeigen, er kann nicht einfach faul in der Küchenkombination stehen und auf den Nachschub warten. Er muss schon selber den Weg unter die Räder nehmen und den Einkauf tätigen, das wäre sowieso besser, dann wäre die Kühlkette nicht unterbrochen. Ich hoffe nur die Softwareentwickler denken daran, dem selbstfahrenden Kühlschrank auch die Verkehrsregeln beizubringen. Auf der Strasse wird er nämlich noch weiteren selbstfahrenden Haushaltsgeräten begegnen. Bei der Ausfahrt aus der Tiefgarage flitzt gerade der fahrende Backofen des Pizzaservice vor seiner Nase durch. An der Kreuzung wartet vor ihm die selbstfahrende DHL-Box, bis die selbstfahrende Medikamentenbox der Post die Kreuzung freigibt. Schön in der Kolonne mit anderen selbstfahrenden Kühlschränken geht es Richtung Supermarkt. Kurz vor dem Einbiegen in den Parkplatz muss er noch dem selbstfahrenden Staubsauger, der neue Staubbeutel besorgen muss, den Vortritt lassen. Nachdem der Kühlschrank durch den Supermarktroboter beladen wurde, fährt er wieder zurück. Bei der Ausfahrt aus dem Parkplatz begegnet er einem selbstfahrenden Drucker, der gerade neue Tintenpatronen besorgt hat. Zusammen mit der selbstfahrenden Kaffeemaschine, die frische Kaffeebohnen gekauft hat, fahren sie zurück in die Wohnung.
Völlig erschöpft von diesen Strapazen, laden sich die selbstfahrenden Haushaltsgeräte an der Steckdose auf und überlegen sich, wie man dieses Verkehrschaos lösen könnte.