Freitag, 5. August 2016

Apéro mit selbstfahrenden Autos

Kürzlich sassen zwei selbstfahrende Autos an einer Bar und tranken ein Glas Benzin. Sie beklagten sich bitterlich über die „Gute alte Zeit“ als sich die Autofahrerinnen und vor allem die Autofahrer um sie noch liebevoll kümmerten. Heute sind sie nur noch Nutzfahrzeuge, die meistens nicht im Besitz des Autobenutzers sind. Sie gehören zu einem Wagenpark von Zipcar, DriveNow, Car2Go oder Mobility und haben eine ID, genauer gesagt eine IP-Adresse und sind Teil von „Internet der Dinge“. Dabei sind sie nicht irgendein Ding sondern ein stolzes Industrieprodukt mit 130 jähriger Tradition. Dieses hatte man noch schön an Ausstellung angepriesen und die schnittige Form und Ausstattung des Motors gelobt. Heute haben alle diese eiförmigen windkanalgeprüften CW-Karosserien, bei der man die einzelnen Automarken nur noch über den Schriftzug unterscheiden kann. Alle die Merkmale, die mit dem eigentlichen Fahren im Zusammenhang stehen, interessieren heute niemanden mehr. Viel wichtiger sind die Innenausstattungen mit Flaschenhalter, DAB+ Radio, Kühlschrank, Laptop-Tablare, Multimedia-Systeme, Kinderanimation-Flatscreen oder Klimaanlagen mit integriertem Benutzerprofil. Die Datenrate des internen WLAN ist viel wichtiger geworden als die PS des Motors.

Auch die persönliche Beziehung zum Autofahrer war früher viel besser. Kürzlich fluchte mein Besitzer grauenhaft. Mit dem Sprachsystem Siri verstand ich zwar die Worte, aber weil sie nicht in meinem Wortschatz gespeichert sind, konnte ich deren Bedeutung nicht erahnen. Er schwafelte etwas von horrend hohen Autoreparaturrechnungen und das meine Fehlerdiagnose- und Maintenance-Management-Software zum Teufel gehen soll. Ich konnte irgendwie seine Aufregung nicht verstehen, bin ich doch bei jeder Fehlermeldung programmmässig sofort automatisch in die Reparaturwerkstatt gefahren.

Auch das Zusammenleben der Menschen hat sich durch die selbstfahrenden Autos drastisch verändert. Früher wusste man, wenn man einen Fehler im Strassenverkehr machte, wurde man gebüsst und basta. Heute haben sie endlose Streitereien ob jetzt der Hersteller, der Importeur, der Autohändler, der Elektronikhersteller, der Autobesitzer oder der Autobenutzer schuld sei. Den Vogel abgeschossen hat einer, der ein selbstfahrendes Auto vor das Bundesgericht ziehen wollte. Dabei konnte die Elektronik bei diesem Verkehrschaos einfach nicht alles sehen.

Auch das Gestürm mit den Elektrofahrzeugen hat sich mit der Zeit gelegt. Sie sind heute nicht mehr so federleicht gebaut. Durch die vielen Komforteinrichtungen im Auto, den unzähligen Elektronik-Gadget und den langen Reichweiten wurden die Fahrzeuge immer schwerer. So war dann auch die Energieverbrauch teilweise grösser als bei benzinschluckenden Autos. Und mit der Ökologie ging es auch bergab, als alle merkten, dass weltweit die meisten Elektrofahrzeuge mit dreckigem Braunkohle-Strom aufgeladen wurden. Dass die Lösung beim weniger Fahren liegen würde, ist natürlich ein ketzerischer Gedanke.
Auf das trinken wir noch ein Glas Benzin.